Ich spiele Geige. Seit meiner Kindheit schon. Später sind noch andere Instrumente hinzugekommen, und heute ist es die Bratsche, die mich begleitet. Musik ist Teil meines Lebens.
Während des Corona-Lockdowns im Frühling des letzten Jahres hat die Natur freudvoll durchgeatmet. Ein Fest veranstaltet hat sie. Mit üppigem Spriessen, intensiven Farben und betörenden Düften. Spontan wollte ich miteinstimmen, mittanzen. So nahm ich meine Bratsche in den Garten und spielte Musik von Johann Sebastian Bach. Seine Kompositionen lassen Gefühle der Freude, der Demut, Dankbarkeit oder Versöhnung ebenso zu wie beengende Ängste, Fragezeichen, Unverständnis und Zuversicht.
Inzwischen sind einige Musikprojekte geplant, vertagt, abgesagt, erneut aufgenommen und – seit ein paar Monaten – begeistert wieder durchgeführt worden. Wöchentlich habe ich die Proben eines kleinen Ensembles in Zürich besucht. Als einzige Ungeimpfte mit Maske und vor dem Konzert zusätzlich getestet. Aus Gründen der Sicherheit und der Vorschrift.
Die Impfdurchbrüche zweier Mitspieler wurden verständnisvoll hingenommen, meine eventuell lebensbedrohliche Anwesenheit ebenso. Die Aufführung mit Stockhausens Musik zu den 12 Tierkreiszeichen, dazwischen Bach und Mozart, ist gelungen. Ebenso das andere, das Tango-Projekt in Aarau mit dem Sologeiger aus Buenos Aires. Dieses etwas grössere Streichorchester hatte für sämtliche Proben und Konzerte Zertifikatspflicht beschlossen. Anfänglich sind die Schnelltests gratis gewesen, dann kostenpflichtig geworden. Auch wurden die Rachenabstriche heikler als es die Nasenabstriche waren – obwohl vom medizinischen Personal sehr einfühlsam genommen.
Ob ich Russisches Roulette möge. Ob ich mich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen könne, bin ich von Mitspielenden gefragt worden. Weshalb ich Maske trage. Nicht mitgehe zum gemeinsamen Essen. Sie hätten keine Probleme, seien ja «impfgeschützt». Wovor?
An Demos habe ich vielen Trychlern in die Augen geschaut, habe ehrliche Charakterköpfe getroffen auf den Plätzen. In langen Diskussionen sind die Ursachen der aktuellen Lage besprochen worden.
Die Tageszeitung, welche mir seit Wochen «für einen gewissen Zeitraum gratis und unverbindlich» zugestellt wird, habe ich heute per Telefon storniert: «Schauen Sie, anfangs wollte ich noch Leserbriefe verfassen, doch es sind zu viele geworden.» Das Kreuzworträtsel vermochte meine grauen Zellen nicht wirklich zu aktivieren, und heute, als vom «Glockdown» die Rede war auf der Titelseite, da habe ich mich einfach nur geschämt für das Blatt meiner Region.» Fraglos habe ich eine freundliche Antwort erhalten: «Morgen werden Sie die letzte Ausgabe im Briefkasten haben.» Wunderbar, klappt doch. Platz für Neues entsteht!
Text: Pia Tschupp