«Leuchtende Kinderaugen sind meine Währung»

Der Österreicher Ricardo Leppe ist ein Bildungs-Revoluzzer und inspiriert Lehrer, Eltern und Kinder dazu, neue Pfade des Lernens einzuschlagen. Am Ostersamstag gab er der Graswurzle-Community Tipps und Tricks, wie das freie Lernen zum Erfolgserlebnis mit Spassfaktor wird.

Jedes Kind kann lernen; lernschwache Schüler gibt es nicht. Reformbedürftig ist die Art und Weise, wie der Schulstoff vermittelt wird. Blickt man auf die obligatorische Schulzeit zurück, stellt man rasch fest: Wirklich viel ist vom eingetrichterten Stoff nicht hängengeblieben. Formeln oder Grammatikregeln auswendig lernen fruchten selten. Im Schulalltag kommt der spielerische Ansatz meist zu kurz, dabei ist gerade diese Herangehensweise für Kinder wichtig und fördert das natürliche Lernen.

Wer jahrelang auswendig gepaukt hat, kann später nur etwa 1.5 Prozent davon wieder abrufen. Wird der Schulstoff aber ohne Druck, im eigenen Tempo und zum richtigen Zeitpunkt gelernt – nämlich dann, wenn das Kind motiviert ist – bleibt das Wissen vorhanden. Diese Lernform garantiert, dass die Schüler bis spätestens zur Pubertät lesen, schreiben und rechnen können, erklärte Ricardo Leppe. «Wir sind alles Individuen, werden aber im Schulsystem durch ein und dieselbe Schablone gepresst.» Somit bleibt die Motivation auf der Strecke und die Schule hinterlässt bei vielen Kinder ein Trauma.

Bildsprache als Erfolgsgarant

Leppe – der als Zauberkünstler seine Karriere startete – sorgte bei den Workshop-Teilnehmenden für ein Aha-Erlebnis, als er die eigentliche Bedeutung der Zahlschrift erklärte. Dass diese mit der Anzahl der Winkel zusammenhängt, die in der ursprünglichen Schreibweise zu finden sind, hatten wohl die wenigsten in ihrer Schulzeit gelernt.

Und genau da liegt des Pudels Kern: Wird der Lernstoff mittels Bildsprache vermittelt, merken sich die Schüler die Dinge schneller und nachhaltiger. Mit assoziativem Lernen – das verknüpfende Lernen – klappt es auch mit der Fremdsprache oder wenn es darum geht, Begriffe oder Namen auswendig zu lernen. Wie leicht diese Methode von der Hand geht, zeigte Leppe anhand einer Übung. Innert kürzester Zeit hatte das Publikum gelernt, auf Thailändisch von 1 bis 9 zu zählen. Dafür wurden Körperteile von Kopf bis Fuss mit Bildern, Lauten und Berührungen verknüpft und schliesslich gespeichert.

Der natürlichste Weg eine Sprache zu lernen, ist das Zuhören. «So haben wir auch unsere Muttersprache gelernt. Doch in der Schule starten die Schüler mit Grammatikregeln. Viele scheitern daran und kommen darüber gar nicht hinaus.»

Druck kommt von den Eltern

Wenn ein Kind in der Schule schlechte Noten schreibt, seien es die Eltern, die daraus ein negatives Erlebnis machen, meinte Leppe. Wichtig sei jedoch, dem Kind das Gefühl zu geben, nicht versagt zu haben: «Nicht die Kinder, sondern die Eltern haben das Vertrauen verloren. Sobald das Kind in die Schule kommt, wird es auf eine Zahl reduziert», betonte er und verglich das Urvertrauen mit dem Wachstum eines Baums: «Der Baum wächst und wird perfekt auch ohne, dass wir ihm ständig zureden, er müsse wachsen.»

Ferner müssen die Eltern eine Vorbildfunktion einnehmen und das Verhalten vorleben, das sie von ihren Kindern wünschen. Grundregeln sind wichtig, damit das Kind weiss, in welchem Rahmen es sich frei bewegen und entfalten darf. Doch die zentrale Frage aus Sicht des Kindes bleibe immer dieselbe: «Wer bin ich und was will ich?», erklärte Leppe. Er motivierte die Freilerner-Familien, mit kleinen Schritten zu beginnen: «Auch wenn ihr vorerst auf einem rostigen Dreirad fährt, kann es sich zum Porsche entwickeln»; lachte er und ermunterte: «Es ist wichtig, einfach mal zu starten.»

Schule der Zukunft

«Lernen heisst nicht, die Nase in ein Buch zu stecken.» Die Schule der Zukunft ist eine Lebensschule, die auf drei Säulen basiert: Körper, Geist und die Vorbereitung aufs Leben. Das Schulmodell komme ohne Systemvorgaben aus; für die Basis wie Lesen, Schreiben und Rechnen würde eine Stunde – höchstens zwei – pro Tag genügen, meinte der Lerncoach. Den Rest der Zeit können sich Kinder intrinsisch motiviert in alle Richtungen entwickeln wie etwa Sport, Musik oder Kunst. Aber auch alltägliche Dinge wie ein Reifenwechsel oder eine Kontoeröffnung sollen Platz haben, genauso wie Atemtechniken oder der richtige Umgang mit sich selbst und seinem Umfeld.

Text: Barbara Hagmann

Ricardo Leppe
Die Graswurzle-Community holt sich Tipps vom Lernexperten

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