Bei Gipfeli, Butterzopf und Kaffee einander zuhören

Geselligkeit ist in Zeiten von Diskriminierung enorm wichtig. Denn wer nicht im Besitz eines Zertifikates ist hat es schwer, für einen Schwatz im Café oder am Stammtisch vorbeizuschauen.

Plaudereien und der Austausch von Neuigkeiten sind natürliche Bedürfnisse eines Menschen. Seit der Restaurant- oder Cafébesuch an eine Zertifizierung gebunden ist, kommen soziale Kontakte zu kurz. Und gerade diese sind im Augenblick wichtiger denn je. Menschen vereinsamen, verlieren den Kontakt zu Freunden und teilweise sogar zu ihren Familien. Alltägliches, wie ein Treffen unter Freunden, ist ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Wer hätte gedacht, dass ein Tässchen Kaffee in Gesellschaft für Furore sorgt?

Eines der samstäglichen Rituale von Lotti und Paul ist, über den Gemüse- und Blumen-Märet in der Solothurner Altstadt zu schlendern. Nach ein paar Worten hier und da, und gefüllten Taschen mit allen möglichen regionalen Leckereien, trifft sich das Ehepaar gerne mit Freunden auf einen Kaffee mit Gipfeli. Ein simpler Akt, der seit der Einführung der Zertifikatspflicht mit Hürden gepflastert ist.

Lotti und Paul wissen, wie wertvoll ein sozialer Austausch ist und haben kurzerhand das «Nachem-Märet-Kafi» ins Leben gerufen. Seit ein paar Wochen finden sich nun jeden Samstag von 9.30 bis 12.30 Uhr ein paar Graswurzler ein und geniessen ihren Kaffee in geselliger Runde. Es wird geplaudert und vor allem: «Wenn jemand etwas erzählt, hören wir einander zu», betont Lotti. Ein wichtiges Fundament der Begegnungen an ihrem Kaffeetisch.

Besuchen dürfen das «Nachem-Märet-Kafi» alle, die sich vorab anmelden. Die Teilnehmerzahl ist auf 14 Besucher beschränkt. Lotti und Paul sorgen für eine gemütliche und stimmungsvolle Atmosphäre im Raum. «Wir spielen schöne Musik, decken die Kaffeetafel hübsch ein und zünden ein paar Kerzen an.» Manchmal nehmen sie ihre Gäste mit auf eine musikalische Reise nach Wien, um dem Fernweh etwas entgegenzuwirken. Ab und an treffen sich am Tisch auch alte Bekanntschaften, die sich über die Jahre aus den Augen verloren hatten.

Letzthin wurde der 79-jährige Geburtstag eines Freundes gefeiert. Mit «Happy Birthday» wurde er von den Gästen empfangen und es rührte den Jubilar zu Tränen. «Er war tief berührt», erzählt Lotti. Der Graswurzler hat den Kontakt zu vielen Freunden verloren und seine Familie hat sich von ihm distanziert. Letztere akzeptiert nicht, dass er sich weigert, sich impfen zu lassen. Mit den Worten: «Ich habe jetzt eine Graswurzle-Familie und ich schätze die Wärme und Zuwendung sehr», habe er sich für den herzlichen Empfang bedankt, freut sich Lotti.

«Dieses Erlebnis beweist, dass viel Schönes und Gutes auch im kleinen Rahmen stattfindet», sagt Lotti. Mit Leib und Seele sind Lotti und Paul dabei: «Wir sind Graswurzle-Eltern, oder besser gesagt, Graswurzle-Grosseltern», lacht Lotti. Diese Art der Zusammenkunft ist für das Ehepaar ein wertvolles Geschenk, das vielen Menschen Kraft spendet.

Text: Barbara Hagmann

Einander Zuhören
Lottis Wiener-Kaffeetafel

5 commenti su “Bei Gipfeli, Butterzopf und Kaffee einander zuhören

  1. Das ist eine super Idee. Hab von einer Freundin von dieser Seite erfahren. Wohne in der Westschweiz. Weiss nicht ob es hier sowas gibt. Bin aber Ende dieser Woche im Berneroberland. Wo wohnt ihr? Könnte ich mal vorbeikommen ?

    Herzlichst Judith (69)

    • Liebe Judith,
      Lottis Kaffe-Plausch findet in Solothurn statt. Eine Anmeldung ist erforderlich. Die Ankündigung macht sie jeweils über einen Kalendereintrag bei Graswurzle.
      Herzliche Grüsse zurück

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